Die Suche nach dem Bildnis Urvans
Das Bildnis Urvans wurde gefunden. Mir selber war es nicht vergönnt, dabei zu sein, doch ich traf die beteiligten Brüder und Schwestern in unserer Konventstaverne. Wir tranken Bier und Wasser zusammen und ich lauschte den Erzählungen, um die Geschichte über diese Suche zu Papier zu bringen. Nun hört denn selbst.
Wie man in den Bibliotheken lesen kann, wurde ein Mann Namens Rayores ausgesandt um uns den Weg zu dem Bildnis unseres Herrn zu weisen. Einfach wäre es gewesen, hätte der Schwarze Richter uns den Ort genannt, doch in Rätseln sprach er, so dass nur Schwester Dis, Tochter des Azaghal, Schwester Felaria Mendalon und Bruder Ossian Montfort of Éire Castle den Weg in die kleine Stadt Orkenfried fanden, wo sie den Schwarzen Richter wieder sehen sollten.
Die drei nahmen die Routen der Handelsreisenden und trafen sich in einer kleinen Herberge vor den Toren der Stadt, um diese dann gemeinsam zu betreten. Schwester Felaria, eine Elfin in feinen eleganten Kleidern schritt erhobenen Hauptes und ohne erkennbare Waffen voran. Gefolgt wurde sie von Bruder Ossian in seiner prunkvollen Rüstung, der ein Zweihänderschwert trug. Zum Schluss ging die Zwergin mit geschultertem Kriegsbeil, die mit Verlaub recht gutes Bier zu trinken pflegt. Doch geht es in dieser Geschichte nicht um Bier.
Betreten die Suchenden nun die Innenstadt und werden sogleich von einem Mann der Stadtwache empfangen. "Grüße an Urvan, edle Herrschaften. Ein Mann namens Rayores gab mir folgende Botschaft, die für euch bestimmt war: Geht dort hin, wo die Schwarzhäuptigen ihre Arbeit tun. Dort findet ihr den Eingang."
Ein weiteres Rätsel. Das passt zum Richter. Was mag dieser Ort wohl sein? Schwester Dis erkundigte sich sogleich nach einem Tempel, doch die Auskünfte des Wachmanns sind dürftig. Schwarzhäuptige Gestalten hatte er anscheinend auch noch nie gesehen. Oder vielleicht doch? Nur ist es hier nicht gleich offensichtlich. Die Zwergin behält einen kühlen Kopf und stellt weitere Fragen. Woher kam Rayores und wo ging er hin? Unser Wachmann erklärt geduldig, welche Gebäude man in und um die Stadt wohl finden kann und deutet auf die Frage nach dem Verbleib des Schwarzen Richter auf den Marktplatz.
Schwester Felaria streut ein klugen Kommentar ein. Ein Henker trägt schwarz, wenn er seine Arbeit verrichtet. Überglücklich, dass er helfen kann, erklärt der Wachmann den Gefährten, dass man den Gerichtsplatz gleich beim Markte finden kann. Dahin ging doch auch der Richter. So bedanken sich die drei aufs höflichste, geben dem Mann ein paar Münzen für das Feierabendbier und machen sich nach ein paar Meinungsverschiedenheiten über die weitere Vorgehensweise auf den Weg zum Marktplatz.
Das Treiben auf dem Markt ist ruhig. Nur wenige Stände sind besetzt, die hauptsächlich Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände an Küchenchefs und Gesinde verkaufen. Anscheinend ist heute nicht der große Wochenmarkt. Den Henkersplatz kann man nicht übersehen. Richterstuhl und Galgen sind leer und so kann die Gruppe ungestört nach etwas ungewöhnlichem suchen. Irgendwo muss der Schwarze Richter ja sein. Das Gerichtsgebäude selber ist verschlossen. Heute ist Ruhetag.
Bruder Ossian hat inzwischen etwas entdeckt bzw. ist ihm aufgefallen, dass der Galgen auf einem Kastenpodest steht und man nicht, wie sonst üblich, den Boden unter der Klappe sehen kann. Eine Tür oder Öffnung in den Kasten hinein, ist von den Seiten aus nicht zu sehen. Es gibt lediglich eine Treppe nach oben. Auf dem Podest unterscheidet sich nichts von jedem normalen Galgen. Unter dem Strick gibt es eine Luke, die sich auf den ersten Blick und auch nicht durch Tritte einer zierlichen Elfin öffnen lässt. Schwester Dis sucht sogleich nach einem Hebel. Es ist ungemein praktisch, jemanden dabei zu haben, der sich mit solchen Mechanismen auskennt.
Blickt man in die nun geöffnete Luke hinein, so sieht man eine weitere Falltür am Boden. Felaria rafft ihre Röcke (Warum auch immer man für ein solches Abenteuer ein so hinderliches Kleidungsstück tragen muss, ist mir ein Rätsel.) und klettert hinunter in den Kasten. Die anderen beiden folgen und Dis beginnt sofort mit der Suche nach einem weiteren Hebel. Diese Falltür lässt sich jedoch an einem Ring nach oben ziehen und gibt einen Blick ins Dunkel frei. Treppenstufen gibt es keine, aber man kann in etwa 2 Meter 50 Tiefe den Boden erkennen. Schwester Dis hat eine Fackel dabei und zündet sie an. Im Feuerschein erkennt man nun eine Halle, deren Wände mit den Zeichen Urvans bedeckt sind. Ein Satz fällt dabei besonders ins Auge. Vertraut auf Urvan!
Die Elfin springt mit gerümpfter Nase beherzt hinein und landet unverletzt auf dem Grund der dunklen Halle, während sich die anderen beiden abseilen. Schwester Dis ist für dieses Abenteuer bestens ausgerüstet. Mit der Fackel in der Hand durchsuchen sie die Halle und finden ein Portal, vor dem zwei riesige in Stein gemeißelte Adler sitzen. Geht man näher heran sieht man das Portal geöffnet, dahinter rauchiges, sehr dunkles Licht. Die beiden Adler halten ein Schild. Nur der Ehrenhafte Soldat wird vor dem Herren Urvan bestehen.
Keiner zögert, das Portal zu durchschreiten und so betritt Felaria als erstes die Halle dahinter. Der Raum ist ebenfalls trist und schmucklos. In der Ferne sieht man ein undefinierbares Licht schimmern. Wenn man sich nähert, wird bei dem Leuchten ein Objekt sichtbar. Die Gefährten haben eine Statue von Urvan vor sich und fallen ehrerbietend auf die Knie. Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen und lausche den Erzählungen der drei voller Ehrfurcht. Um sein Haupt liegt ein Strahlenkranz, von dem das Leuchten ausgeht und welches auf dem Boden zu Füßen der Statue eine Lichtkegel bildet.
Durchsuchungen des Raumes bringen weder Türen in der Wand noch im Boden zum Vorschein. Es muss sich wieder um ein Rätsel handeln. Schwester Dis vermutet die Lösung in dem Lichtkegel am Boden. Während Ossian versucht, einen Hebel zu finden und die Statue genau untersucht, tritt die Zwergin in den Lichtkegel und salutiert. Mit einem Brummgeräusch bewegt sich die Statue und gibt einen Durchgang frei. Die drei gehen langsam den recht kurzen Gang entlang, der an einem Altar endet, wo bereits ein neues Rätsel auf die Gefährten wartet.
Aus der Wand hinter dem Altar ragt eine steinerne Hand, die etwas greifen will und an den Seitenwänden liest man im Fackelschein folgendes: Erkennst du das wahre Wesen des Herrn? Auf dem Altar liegen Gegenstände, ein Schwert, ein Gesetzbuch, ein Schild, ein Fischernetz, und eine Waage. Man schlussfolgert richtig, dass man der Hand einen Gegenstand geben muss. Die Frauen überlegen und probieren sofort aus. Bruder Ossian benötigt zwei Anläufe, um sie zum zuhören zu bewegen und präsentiert ihnen dann die richtige Lösung. Alle Gegenstände bis auf das Netz repräsentieren Urvan, also muss man alles in das Netz legen und zusammen in die Hand geben. Es ist so einfach und funktioniert. Die Hand verschwindet mit den Gegenständen in der Wand, die darauf hin in den Boden versinkt und den Weg zu einer weiteren Halle frei gibt.
Auch in dieser Halle befindet sich nichts außer einem Portal. Neben dem Portal ist eine Nische. Darin ist das Symbol der Waage zu sehen und darunter eine riesige Schale. In der Schale steht ein Spruch geschrieben. Lasse dein Schwert hier zurück und überlasse dich der Gnade Urvans Ohne zu zögern legen die drei ihre Waffen in die Schale. Plötzlich hören sie hinter sich die Wand mit dem Eingang zu dieser Halle nach oben gleiten. Sie sind eingesperrt. Vor ihnen das Portal, aus dem gar furchtbare Schreie zu hören sind. Schreie von Monstern übelster Sorte. Wer schon mal einen ausgewachsenen Drachen oder Dämonen schreien hörte, der kann sich dies ungefähr vorstellen. Die Waffen sind unerreichbar, denn die Schale verschwindet hinter einer Schiebetür und es bleibt nun mehr der Gang durch dies grausig anmutende Portal.
Das Portal führt in eine tiefe Dunkelheit. Die Schreie verstummen, aber der Boden beginnt sich plötzlich zu drehen, sodass die drei die Orientierung verlieren. Als sie zum stehen kommen, öffnet sich vor ihnen eine Tür hinter der sich warmes Licht verbirgt. Wie es scheint sind die Gefährten bei ihrem Ziel angekommen. Dieser Raum unterscheidet sich merklich von den Hallen davor. An den Wänden befinden sich goldene Zeichen Urvans und in der Mitte steht Rayores und sieht den Ankömmlingen entgegen. Auch ihre Waffen haben die Suchenden in einer Nische neben der Tür entdeckt.
"Ihr habt es geschafft, ich freue mich euch hier zu sehen." beginnt der Schwarze Richter zu sprechen. "Nun denn, dann freue ich mich das nun meine Erlösung kommen wird. So lang habe ich mich danach gesehnt." Er zieht sein Schwert und blickt erwartungsvoll auf die Würdenträger Urvans, die ihre wiedergefundenen Waffen kampfbereit halten und Rayores beobachten. "Wie meint Ihr das?" fragt die Zwergin. Er lächelt. "Meine Name war Schwarzer Richter nicht nur wegen meiner Vorliebe. Nein ich urteilte streng und blutreich, so reich, dass ich dem Wege Femidalans verfiel. Diesen Schrecken erkannte ich erst kurz vor meinem Tode, weshalb ich Urvan um Vergebung bat. Dieser gewährte mir eine Schuldtilgung, als Wächter des Urvanbildes. 500 Jahre lang warte ich nun auf die Erlösung durch einen ehrenhaften Kampf im Sinne Urvans. Wollt ihr mir diesen letzten Wunsch gwähren?"
Nach einigen Überlegungen ist jeder zum Kampf gegen den Schwarzen Richter bereit. Dis bittet ihn, seinen Gegner zu erwählen. Die Wahl fällt auf Schwester Felaria. Vielleicht scheint sie in ihrem Kleid und lediglich mit den Dolchen bewaffnet, die einfachste Gegnerin zu sein.
Mit Gebrüll stürzt er sich auf die zierliche Elfin, die dem Ansturm geschickt ausweicht und mit dem Paradedolch die Klinge des Richters zur Seite ablenkt und mit dem anderen zum Konter ausholt. Rayores blockt und versucht nun ihre Hüfte zu treffen. Felaria reagiert mit einem Sprung nach hinten und beginnt um den Richter zu kreisen, der sich eine neue Position sucht, immer die Bewegung der Elfin im Auge haltend. Die beiden Zuschauer bemerken aber, dass die Bewegungen des Richters altersbedingt recht träge sind. Die Taktik der Kriegerin, auf Geschwindigkeit zu setzen, scheint aufzugehen.
Felaria's Angriff erfolgt blitzschnell. sie blockiert wieder mit dem Paradedolch die Klinge des Richters und trifft ihn mit dem anderen in die Seite, um dann sofort wieder aus dem Bereich seiner Klinge zu springen. Der Richter wankt bereits und wird nun von Felaria von der anderen Seite erwischt. Er kann dem Dolchstoß nicht ausweichen und wird tödlich getroffen. Das Duell ist vorbei. Die drei erweisen dem Richter die letzte Ehre und sprechen den Segen Urvans über dem Leichnam. Noch während sie beten, hört man leise Geräusche von Zahnrädern und Ketten. In der Wand im Westen erscheint eine Nische, in der das Bildnis Urvans hängt. Darunter ein Spruch: Wer den Ehrenhaften den letzten Segen erteilt im Sinne Urvans, der ist wahrhaftig.
Hier endet nun die Geschichte von der Suche nach dem Bildnis Urvans. Möge uns der Schwarze Richter als ehrbarer Kämpfer in Erinnerung bleiben, sowie auch die Stärke, der Mut, die Weisheit, das Geschick und der Kampfgeist von Schwester Dis, Schwester Felaria und Bruder Ossian. Es war mir eine Ehre, die Ereignisse in Worte zu fassen und für die Nachwelt aufzubewahren.
(von Kaeara DiAsturien)
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