Das erste Buch Urvans

Nach dem Bruch der Scherben gebunden, ein jeder an seinen Ort, fand sich Urvan im Norden wieder, wo er auf einem Berg saß und die Welt betrachtete. Leichte Trauer überkam ihn bei dem Gedanken an seine Brüder und Schwestern und ihren Bruch, den sie alle miteinander erfahren hatten und der sich auf ewig auf der Welt abzeichnen würde.

Lange Zeit saß er da, im Stillen und für sich allein und Sonne und Mond wechselten in ihrem Spiel das Licht und die Dunkelheit und er betrachtete ihre Wanderung und die Sehnsucht nach den Sternen wuchs unaufhörlich in ihm, wo doch der Anbeginn in ihnen lag und Gaia dort weilte, auch wenn sie hier um ihn herum war, so schien es nichts vergleichbares als ihre direkte Nähe zu geben und es fröstelte ihn vor Einsamkeit.

Um sich abzulenken beschloß er von dem Berg hinab zu steigen, unsichtbar für die Welt und den Norden genauer zu erkunden. In weiter Ferne, hinter einer Hügelkette, die gänzlich von einem Waldstück eingenommen war, nahe der großen Berge, stiegen viele kleine Rauchsäulen auf und es zog ihn in diese Richtung und um sich mit der Zeit gut zu stellen, wandelte er auf Erden wie ein jedes Geschöpf auf seinen Füßen.

So brauchte es eine Weile bis er den Wald erreichte, in den er voller Freude eintrat, es tat gut so viel Leben um sich zu haben und das schaffen seiner geliebten Geschwister um sich zu wissen. Die Bäume erstrahlten in ihren Kronen in einem saftigen grün und ihre mit Rinde bewehrten Stämme ragten Meterhoch in die Luft und so entstand ein wundervolles Zwielicht im Dickicht und es raschelte hier und da. Das Vogelgezwitscher war Engelsgleich in seinen Ohren und ertönte über allen Wipfeln, in allen Klängen der Welt und Frieden umfasste Urvans Herz als er Schritt für Schritt den unsichtbaren Pfad des Waldes hinauf zur Hügelkette folgte, die mit einer leichten Steigung begann und rasch anwuchs. Die Zeit war mit ihm und vergönnte ihm wertvolle Tage in diesem Wald und alle Einflüsse durchströmten ihn und die Nähe seiner Schwester Larja heilte sein Herz letztendlich von seiner Einsamkeit und er wusste das sie alle zusammen auf immer verbunden waren durch ihre Werke auf Erden.

Schlussendlich erreichte er den Waldrand und erblickte die Quelle der Rauchsäulen, er kam aus kleinen Hütten, die entlang des Berges erbaut worden waren und kleine Kreaturen mit wildem Haar und langen Bärten zum teil eilten geschäftig hin und her. Urvan beschloß sich dies alles aus der Nähe an zu sehen und trat für sie nicht sichtbar, in ihre Mitte.

Sie schienen nicht wirklich groß zu sein, vielleicht zum Größten gereichte es an den Meter fünfzig, doch war ihre Statur stämmig und kräftig zugleich. Ihre Kleidung erschien ihm zweckmäßig, leichtes Schuhwerk mit einer harten Ledersohle, Stoffhosen und viele trugen entweder leichte Hemden oder Lederschürzen. Jeder von ihnen schien eine bestimmte Aufgabe zu haben und es interessierte ihn, was sie hier taten und o blieb er und beobachtete.

Er folgte einem Zwerg, so nannte er sie, zu den Bergen, wo große Gerüste den Fels umgaben und sich viele emsige Zwerge daran machten, mit Werkzeugen große Quader aus dem Fels zu schlagen, was Urvan beeindruckte, wozu solche Geschöpfe doch fähig waren. Etwas abseits war ein ganzes Lager voll verschieden geschlagener Quader, die in Größe und Form einen jeden Zweck erfüllen mochten. Ganz in der Nähe erschien ein ganzer Trupp mit geschlagenem Holz, dicken Bohlen, die je zwei von ihnen zum Berge trugen und Urvan setzte sich etwas abseits dahin und beobachtete was die Zwerge nun dort trieben. Vier von ihnen, ein jeder neben dem anderen, begannen sie mit spitzen Hacken auf den blanken Fels zu schlagen, während zwei andere, den Schutt beiseite kehrten und unermüdlich und Stunde um Stunde, trieben sie ein breites Loch in den Fels, das zum Abend hin schon sechs der Weltenmeter in den Fels reichte, was Urvan um so mehr beeindruckte.

Während die sechs, die den ganzen Tag geschuftet hatten, Richtung der Hütten liefen, gesellten sich neue Zwerge mit Äxten und Hämmern dem am Berg liegenden Bohlen zu und begannen zu werkeln. Mit guten Augenmaß teilten sie die Bohlen mit ihren Äxten und trugen sie zu dem Loch und stemmten sie eins links, eins rechts an die Wände, währen drei andere einen Querbalken setzten, ihn verkeilten und sie ihn mit langen aus Metall bestehenden Stiften fixierten. So passierte es bis tief in die Nacht, alle zwei Meter des Tunnels und Urvan verstand das Handeln der kleinen Geschöpfe und befand es für gut.

Die Nacht verbrachte er vor dem geschaffenen Eingang, während alles um ihn herum schlief und nur ein kleines Rehkitz traute sich aus dem nahen Wald und legt sich zu seinen Füßen. Am frühen Morgen, ehe die ersten Strahlen der Sonne die Wolken durchbrechen konnten, wahren sie auch schon wieder auf den Beinen und von den Häusern war ein geschäftiges treiben zu vernehmen. Töpfe klapperten, es schmatze und lachte in jedem Haus und kurz darauf traten kleine Lichter in die Dämmerung und warfen lange Schatten vor sich, als sie sich abermals dem Berg näherten.

Wie am Tage zuvor begannen Gruppen Quader aus dem Fels zu lösen, andere schaften Holz aus dem Wald herbei und wieder begann die Gruppe von gestern, dem Berg einen Weg abzuringen. Urvan erkannte das muntere treiben und war erfreut über diese Idylle und Anmut der Geschöpfe, die er Zwerge genannt hatte. Doch heute, so beschloß er, wollte er mehr und so machte er sich auf, Richtung der Hütten und fand sich in einem kleinem Dorf wieder, wo es nicht minder munter zuging, wie am Berge. Ein jeder ging seiner Dinge nach, so fanden sich verschieden Zwerge, die ihre Waren feil boten, wie Brote, Fleischwaren, Fisch und Tabak; andere hatten Pfeifen, Kleidung und Schmuck im Angebot und Urvan erkannte das Gold, was nun eine andere Form hatte, als wie die, die eigentlich im Berge schlummerte. Scheinbar tauschten sie das Gold gegen die Waren und es machte ihn Glücklich, dass sie sein Gold so hoch schätzten.

Was ihn jedoch wirklich fesselte war ein nahes Geräusch, eine Mischung aus einem prasselndem Feuer und dem Klang von Metallen, die aufeinander schlugen. Er folgte ihm, zu einer großen Hütte, wo ein steinerner, kreisrunder Ofen, mit einem langem Kamin stand und ein großer Amboss vor dem Unterstand, wo ein kräftiger Zwerg mit einem riesenhaft erscheinendem Hammer auf ein glühendes Stück Eisen einschlug, was sich so seinem Willen beugte und ihn die vom Zwerg gewünschte Form schmiegte.

Gerührt von diesem Anblick, blieb er stehen und beobachtete den zwergischen Schmied bei seiner Arbeit. So kam es, das er Zeuge wurde, wie eine Spitzhacke das Licht der Welt, am frühen Morgen erblickte und sie laut zischend in den Wasserbottich glitt und erhärtete. Urvan beschloß diesem Schmied ein Geschenk zu machen und erschien ihm von Angesicht zu Angesicht. Der Zwerg erschrak bis ins Mark und Urvan beschwichtigte ihn, er erklärte ihm wer er war und wie erfreut er über das Streben der Zwerge war und insbesondere das des Schmiedes und er ihm ein Geschenk zu teil kommen lassen wolle.

Immer noch leicht zitternd erhob sich der Schmied und trat näher heran und Urvan erklärte ihm, was er zu tun hatte. Er sollte einen frischen Block des gestrigen Eisens nehmen, was er gegossen hatte, so lang wie der Arm des Schmiedes sollte er sein und halb so dick. Ins Feuer sollte er, bis er golden glühe. So tat der Schmied und wartete, bis er glühte und nahm ihn heraus und formte ihn, wie ihn Urvan hieß. Der fast Armdicke Block wurde schmaler und länger und er faltete ihn in der Mitte und bearbeitete ihn wieder, zwischendurch legte er das Eisen wieder in das Feuer zurück und wartete, dies wiederholte er viele male, bis sich zuletzt eine Klinge, doppelt so lang wie des Schmiedes Arm ergab, kaum daumendick, doch wunderschön.

Urvan blickte zufrieden und besann sich dem Schmied das schleifen der Klinge zu zeigen, so dass dieser sich am Schleifbock wiederfand und begann, nach Urvans Wünschen, die Klinge zu formen und alsbald erstrahlte die erste perfekte Klinge der Welt in vollem Glanze. Hurtig schickte er den Schmied zu einem Holzfäller und einem Gerber und ließ ihn das beste Holz und das beste Leder hohlen, das es zu finden gab und zusammen fertigten sie das Schwert Urvans aus den Schätzen der Welt.

Mit hohem Lob bedeckte er den Schmied und dankte für seine Arbeit und er pflanzte in ihm das Wissen der Waffenkunst und erklärte ihm seinen Sinn, der nach Güte und Gerechtigkeit strebte, doch wo Gutes ist, ist Böses nicht fern und das Böse wird sich nur dem Schwerte beugen, so bewahre dein Wissen Schmied und gebe es an deines gleichen weiter, auf das der Gedanke Früchte trägt und sich das Gute stets zu schützen vermag, doch niemals soll ein Schwert im Bösen erhoben werden, bedenke dies stets und handel wie dir geheißen. So erlebte die Welt die Geburt des Schwertes und die Zwerge erfuhren den Gedanken des Guten in der Welt und taten wie ihnen geheißen.

(von Thorben von Sarkem)

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